äußerlich grün: Tarte mit Spargel, Erbsen, Ziegenkäse und Pesto

Montag, 30. Mai 2016

Die Erwartungshaltung, dass Schule vorbereiten soll, das Leben eigenverantworlich in Freiheit zu führen, wie man es sich wünscht, hat sich für mich nicht erfüllt. All die vielen auswendig gelernten Details, die zusammengesetzt kein Ganzes, noch nicht ein mal ein Puzzel ergeben - ein mosaikhaftes Stückwerk ohne roten Faden. Danach hatte ich die Schnauze so richtig dicke von aller Theorie. *Was man schwarz auf weiß besitzt, dass kann man getrost nach Hause tragen*. Und dort zum anderen Papier im Regal einsortieren. Ich wollte Praxis.

Dass mich das Leben nach vielen Kurven dennoch an die Uni verfrachtete, überraschte niemanden mehr als mich. Und neben der Erfahrung, dass mir studieren um Welten einfacher fiel als die Schullaufbahn, verdanke ich der Zeit dort vor allem aber eines: ich bin gefeit vor allem Dünkel! Kein Professorentitel noch eine andere here Auszeichnung vermag mir seither Hochachtung oder Ehrfurcht einzuflößen. 

Es wird überall nur mit Wasser gekocht. Und gerade der Status höherer Bildung dient leichterdings und hervorragend zur schmucken Maskarade. Und geht zudem nicht zwangsläufig einher mit überlegener Intelligenz. Über diesen Mehrwert des Studiums bin ich froh. Ich gebe zu, das klingt nahezu blasphemisch. Doch eben diese Erkenntnis birgt für mich eine größere Freiheit, ja Unbefangenheit im Umgang mit Menschen. Äußerlichkeiten vermögen mich weder einzuschüchtern noch mich zu einem Urteil zu verleiten, welches an irgendeinen gesellschaftlichen Rang geknüpft ist. Das Maß aller Dinge kann doch nur das Wesen, der Charakter sein.

Es kann die Ehre dieser Welt
Dir keine Ehre geben,
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
Muss in dir selber leben.

Wenn's deinem Innersten gebricht
An echten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt dir Beifall spricht,
Ist all dir wenig nütze.

Das flücht'ge Lob, des Tages Ruhm
Magst du dem Eitlen gönnen;
Das aber sei dein Heiligtum:
Vor dir bestehen können. 
(Theodor Fontane)

Die Ausbildung zur Anständigkeit, Redlichkeit, Wahrhaftigkeit, die Herzensbildung bleibt gänzlich *dir* überlassen und kann keine Universität, keine Institution, keine Gesellschaftsform noch eine Gemeinschaft für *dich* übernehmen. Was ich übernehmen kann, ist einen kleinen Vorschlag für eine weitere Tarte zu liefern -  so grün wie der grünste aller Monate, der Mai: mit grünem Spargel, Erbsen und dicken Bohnen. Verfrischt mit frischem Grün als Pesto aus Minze und Radieschenblätter.
Zutaten - längliche Tarteform 34cm x 11cm:

Tarteteig
100g Dinkel 1050
60g Dinkelvollkorn
80g Butter, in kleinen Flöckchen
Salz
2 EL Quark oder Joghurt
etwas kaltes Wasser

1 Ziegenfrischkäse (ca. 120g)
100g Erbsen
50g fêves (gepuhlt, geschält)
500g grüner Spargel
1/2 Limette, Abrieb davon
1 Pr Zucker
Salz, Pfeffer
Piment d'Espelette
3 EL geriebener Parmesan
etwas Öl

3 Zweige Minze
1/2 Bund Radieschen
1 EL Holunderblütensirup
etwas Limettensaft
Salz, Pfeffer
2 EL Sonnenblumenöl
2 EL Haselnussöl 

Zubereitung:

Die Zutaten für den Tarteteig homogen verkneten und mindestens 1 Stunde eingewickelt im Kühlschrank ruhen lassen. Den Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche ausrollen und die gebutterte Form damit auskleiden. Für 20min in die Tiefkühltruhe stellen. Den Spargel putzen und schälen.

Den Ofen auf 200° vorheizen. Den Spargel mit Öl bepinseln und für ca 10min im Backofen garen. Währenddessen die Crème aus Ziegenfrischkäse, Erbsen und dicken Bohnen herstellen. Dazu alle Zutaten fein pürieren und mit Salz, Pfeffer, Zucker, Piment d'Espelette und Limettenschale würzen.

Den Tarteboden mit der Crème bestreichen. Die Spargelstangen dicht an dicht darauf verteilen und den Parmesan darüber streuen.

Im 190° heißen Ofen ca. 40min backen (falls die Tarte von oben zu dunkel werden droht: abdecken). Parallel dazu das Pesto zubereiten. Dafür das Radieschengrün zusammen mit den Minzblättern, Sonnenblumenöl, Holunderblütensirup und Limettensaft pürieren. Salzen, pfeffern und das Haselnussöl untermischen. Einige Radieschen fein würfeln.

Die Tarte nach dem Backen kurz ruhen lassen und mit einem scharfen Messer in Stücke schneiden. Gemeinsam mit dem Pesto servieren und die feingewürfelten Radieschen darüber streuen.
Inspiration: Britta von Karmafoodra

8 Kommentare

  1. Gut gebrüllt, Löwe... ;) Und dem outen coming könnte ich mich ohne weiteres anschließen!

    Denn unsere Verbildung ist in meinen Augen ein vollkommen unterschätzes Manko, die Erblast werden wir eventuell noch erleben auf jedem Fall unsere Kinder.

    Das Rezept jedoch klingt nachmachbar und die Bilder verführen... Mmmmh 👏🏼

    Mit sonnigen Grüßen, Heidrun

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  2. Ohh, freut mich, dass dich meine Tarte inspiriert hat <3 deine Version würde ich zu gerne auch mal kosten ;-)

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  3. Das ist mal wieder ein rundum bezaubernder Post, so ein Salzkorn-Klassiker. Diese Tarte geht mir schon tagelang im Kopf herum, aber ob ich sie so wunderschön hinkriege?

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  4. Da muss ich dir widersprechen: Herzensbildung kannst du sehr wohl zu Hause in deiner Familie lernen.

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  5. @Erica: Nichts gegen spezielles Fachwissen - aber etwas gegen eine Hybris deshalb ;)

    @Britta: Aber immer und immer wieder inspirierend!

    @Ilse: Vielen Dank, Ilse! Damit die Tarte hübsch wird, benötigt man vor allem eines: ein scharfes Messer!

    @Kochfelder: Da sprechen wir sehr sicher von einer unterschiedlichen Vorstellung von *Herzensbildung*.

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  6. Das ist ja mal wieder einer Deiner fantastischen Texte! Schon seit etlichen Monaten lese ich hier still mit großem Vergnügen mit. Heute muß ich endlich mal einen Kommentar schreiben: Wie Du über die Dinge des Lebens schreibst und dann doch immer zum Rezept kommst, das ist ganz besonders! Das gefällt mir sehr und ich verfolge es mit großer Spannung. Heute fragte ich mich stets beim Lesen "Wie bekommt sie jetzt den Bogen zum Kochrezept...?" Und siehe da, ganz nonchalant... Mach weiter so, ich bleibe Dir eine treue Leserin! liebe Grüße, Uschi

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  7. Das Maß aller Dinge bleibt der Charakter. Ja.
    Als ich vor sehr vielen Jahren mal eine Charakterbeschreibung von mir selbst anfertigen musste - ich hab keinen blassen Schimmer mehr wofür, eine Jobbewerbung war es offensichtlich nicht - schrieb ich darin ehrlich: "eine tiefsitzende Abneigung gegenüber Hierarchien, die nicht auf Kompetenz beruhen" - und das ist bis heute so geblieben. Ich respektiere und achte Menschen, ihren Charakter, ihr Wissen, ihr Können, ihre Erfahrung - nicht Bildungsabschluß, Titel, Rang oder Uniformen. Das hat mir zwar schon öfter im Leben Ärger eingehandelt und mich zur arbeitsmäßigen Selbständigkeit bewegt, aber daran wird sich trotzdem nichts ändern. In meinem Leben bin ich schon so unglaublich klugen, bewundernswerten, großherzigen Menschen ohne Schulbildung begegnet und noch viel mehr arroganten, menschlichen und geistigen Vollpfosten mit Studienabschluß und Geld, dass ich keinen Grund sehe, meine Meinung diesbezüglich zu ändern.
    Deine grüne Tarte dürfte hier sofort auf den Tisch - auch beim Essen zählt für mich der Geschmack und nicht die Exklusivität der Zutaten oder der Aufwand der Zubereitung.
    Und das mit dem Holunderblütensirup im Pesto - das mag ich grade außerdem.
    Herzlich, Katja

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  8. ich habe die tarte jetzt zweimal gemacht und bin ziemlich begeistert. beim ersten mal streng ans rezept gehalten, beim zweiten mal den spargel durch frische prinzessbohnen ersetzt, da es keinen spargel mehr auf dem markt gab.
    die 40 minuten sind schon etwas viel für die dünnen bohnen, aber sie haben es sehr gut überstanden.
    ein tolles rezept so ganz ohne ei, ricotta oder mascarpone...
    kam überall bombe an. gerade in verbindung mit dem pesto/radieschen topping.
    danke für das rezept und deine ganze mühe, die merkt man deinen beiträgen jedenfalls immer an. alex

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