Überwindung: Oliven-Gnocchi mit confierten Kirschtomaten

Mittwoch, 16. August 2017


Bekanntermaßen bin ich Team *Kalendersprüche* - was will ich machen? Dafür habe ich schlicht ein klebriges Gedächtnis. Lange habe ich ja von mir behauptet, dass man mich mit erlesenen Worten hinter jeden Busch gezogen bekommt. Keine Sorge, ich kann entwarnen: das hat sich mit dem Alter deutlich gebessert... Aber wenn ein Satz das Elaborat eines Gefühls oder einer Erkenntnis darstellt, dann entflammt meine Begeisterung bis heute lichterloh. Wie ein Weggefährte begleitet mich seit Jahren dieses Goethe Zitat:
*Von der Kraft, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der sich überwindet*
Was in der Theorie als lässiger Zweizeiler daher kommt, ist in der Live-Performance ein unanmutiges Selbstmassaker. Um Goethe kreist ja der Mythos, dass er unter Höhenangst litt und deswegen an keinem Gerüst vorbei kam, ohne ein Mal hochzuklettern, sich oben kurz zu übergeben, um anschließen wieder runterzuklettern. Schock-Desensiblisierung oder so.

Gar nicht mal selten erlebe ich, dass mit Ängsten kokettiert wird. Warum? Ich weiß es nicht. Aber seit ich mich selbst an meinem eigenen Schlafittich aus meinem Angstthema zu ziehen versuche, empfinde ich das zunehmend als doof. Angst - so lange sie nicht als Warnsignal funktioniert - macht einen zum Klemmi, ist unnütz und schränkt ein. Auf meiner ersten Reise ganz alleine durch Asien verfolgten mich panische Phantasien, irgendwo könnte mir eine Vogelspinne oder deren Verwandte auflauern. Akribisch, fast schon authistisch, stopfte ich jede Nacht das Moskitonetz hermetisch unter meine Matratze. Worst case: nachts aufs Klo müssen. Mein lieber Henker, ich litt Höllenqualen. Was habe ich mir selbst Horror gemacht - ohne auch nur einer leibhaftigen Spinne zu begegnen! Alles Kopfkino! Schlimm.

Der Habib graut sich vor keinem Krabbelfüssler. Was kreucht und fleucht wirft er mit der bloßen Hand zurück in die Wildnis. Er ist meine idealste und zuverlässigste Antiterrorspinnentiergeheimwaffe. Nur: ich will ja selbst ein großes Mädchen sein. Also habe ich vorgestern mal wieder geübt. Eine vorpupertierende Kleinkellerspinne lief schon seit drei Tagen Slalom in der Badewanne. Ich nahm also ein Tuch - nee, anfassen iss nich - und schmiß sie vor die Haustür.

Äußerst selbstzufrieden schaute ich am nächsten Morgen in die vermeindlich leere Badewanne und starrte auf ein genmanipulierte XXL-Exemplar. Ich muß schon sagen, die da oben haben manchmal ein SEHR seltsames Verständnis von Humor. Örrrgs. Ich schluckte und schmiss herausgefordert den Kopf in den Nacken: Challenge angenommen. Vielleicht würde ich es mal mit der beliebten Glasvariante probieren. Es dauerte, bis ich das wirklich einwandfreie, perfekte Stück Papier zum Drunterschieben gefunden hatte. Dazu wählte ich das größte Trinkglas aus unserem Sortiment. Am Tatort stellte sich schnell raus, dass ich Riesen-Thekla damit trotzdem mindestens vier Unterschenkel amputieren würde. Doppel-Örrrgs...

Um Haaresbreite hätte ich meinen special agent hinzugezogen. Doch dann dachte ich an die ganz große Freiheit, öffnete vorausdenkend die Tür, schmiß ein Tuch über Frau Arachnida,  stopfte es vorsichtig ringsherum zu einer innen bespinnten Kugel und mit weit ausgestrecktem Arm lief ich nach draußen, wo ich mit spitzen Fingern das Tuch zur Entleerung schüttelte. Gut, ja, unbeeindruckt, souverän und routiniert geht nochmal anders, aber hey, ich habe es gewagt - das selten gezückte Wort. So leicht finden sich bis heute Nischen, um auch im Kleinen gute, alte Siegfried-Tugenden zu üben. Jeder hat einen Drachen...

Küchentechnisch gilt es hier dringlichst die Tomate abzufeiern. Es stapeln sich die einschlägigen Rezepte nur so in der Wartehalte. Aber man kommt ja vor lauter Selbstüberwindung zu nix. Heute erneut ein einfaches Rezept mit confierten Kirschtomaten - für mich einer der direktesten Wege in den Tomaten-Himmel! 

Zutaten:

75g Tapenade (grüne Olivenpaste)
200g Ziegenfrischkäse
1 Eigelb
75g Mehl (m: D 1050)
30g Parmesan, gerieben
Salz, Pfeffer 

500-600g Kirschtomaten
2-3 Knoblauchzehen
Salz, Pfeffer
1 Pr Zucker
1 Bund Basilikum
Olivenöl

Parmesan

Zubereitung:

Ofen auf 150° Umluft vorheizen *

Die Kirschtomaten halbieren und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech mit der Schnittseite nach oben ausbreiten. Den Knoblauch fein hacken und über die Tomatenhälften streuen. Salzen, pfeffern und mit etwas Zucker würzen. 3/4 des Basilikums klein schneiden und ebenfalls über die Tomaten verteilen. GBroßzügig mit Olivenöl beträufeln und mindestens für eine Stunden in den Ofen schieben.

Aus den Gnocchi-Zutaten einen homogenen Teig kneten und auf einer bemehlten Arbeitsfläche zwei Rollen von etwa 2cm Dicke formen. Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen und von den Rollen Stücke von etwa 1cm abschneiden. Wer mag formt die Gnocchi dekorativ in Olivenform (ich war zu hungrig). In das Wasser geben und warten bis sie aufsteigen. Warm stellen und zusammen mit den Kirschtomaten und frisch geriebenem Parmesan sowie dem restlichen Basilikum servieren.

*Anmerkung m: beim Confieren der Tomaten gilt: viel Zeit - dann 2 Stunden bei 120° rösten, wenig Zeit -  dann bei 180° - ca. 30-40min (mehr Geduld wie meist besseres Ergebnis)


Lust auf noch mehr Gnocchi-Rezepte? Da hätte ich ein ganzes Arsenal dazu im Angebot!

16 Kommentare

  1. Das hast du gut gemacht mit der Spinne :-) Bei mir ist es die Höhe, die mir sehr zu schaffen macht - und ähnlich wie Goethe steige ich trotzdem gerne nach oben. Als Kind habe ich meine Eltern in den Wahnsinn getrieben - es gab da so einen Aussichtsturm, auf den wollte ich immer rauf - um etwa in der Mitte heulend wieder nach unten zu klettern. Der Turm ist leider abgerissen worden, bevor ich es bis nach oben geschafft habe. Aber es gibt ja noch andere Türme zum Raufklettern :-) Und wenn ich mich in der Höhe mit fotografieren ein wenig ablenke, klappt es inzwischen sogar ohne Schweißausbrüche und Schwindel.
    Schwierig wird es, wenn zwischen mir und dem Abgrund kein brust-hohes Geländer ist. Das geht gar nicht... aber ich arbeite daran...
    Und das Rezept klingt wieder toll, das ist schon vermerkt!

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    1. Oh, Stefanie, das finde ich bei dir auch toll, dass du dich überwindest! Das liest sich immer so leicht, aber man ist seiner doofen Angst ja ausgeliefert - so sinnlos und unvernünftig das von Außen auch aussehen mag! Wirklich, man sollte einen Club gründen: *Springe über deinen Schatten und rede darüber* :)

      Und vielen Dank auch für das mir Preisgeben *deines Drachens*! viele liebe Grüße...

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  2. Bravo!
    Deinem Mut, der Geschichte und dem Rezept!
    Ein Genuss, bei Dir zu lesen und zu schauen.
    Lieben Lisagruß!

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    1. Vielen Dank, Lisa - ja von einer Spinne zum Horst gemacht zu werden, das ist schon witzig... für alle, die es mit Spinnen so gar nicht haben :)

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  3. Seit wir den Garten haben, bin ich relativ resistent gegen Spinnengetier geworden. Mit der blossen Hand in Freie befördern - fast kein Problem mehr. Und Dein Gericht wird nachgekocht - ich habe ja zur Zeit eine grosse Paradeiserobsession.

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    1. Ob du mir dennoch, Sarah, deinen Drachen verräst?

      Das Land der Angst ist groß und vielfältig. Da gibt es die eine große Gruppe mit konkreten Ängsten:
      Fluganst, Prüfungsängste, Versagensängste, Angst vor Mäusen uswusf

      dann eine Gruppe mit unkonkreten Ängsten:
      vor dem Fremden, dem Unbekannten, diffuse Lebensängste, Panikattaken uswusf.

      tja und dann gibt es noch die große Gruppe, die der Angstgruppe polar gegenübersteht: diejenigen, die nicht über ihre Ängste fallen, sondern über ihren Hochmut...

      Aber gelle: wenn du und Spinnen vorher auch nicht best buddies ward, dann chapeau ;)

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  4. Jau, das mit der Exposition versuche ich auch – mit kleinen Erfolgserlebnissen: Die Angst-Grenze (Zecken, Ausgesetztheit in den Bergen, Kletterstürze ins Seil) verschiebt sich merklich – aber schrittweise: Zwei vor, einen zurück. Ob Deine Gnocchi hälfen?

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    1. Uijujui, Klettern, das war bei mir auch so eine Adrenalin-Explosion! Anschließend - auf dem Weg vom Felsen wieder heim - bin ich immer eingeschlafen... vor Erschöpfung. Seit ich jetzt aber hier in einem waschechten Superklettergebiet lebe, war ich gar nicht mehr klettern. Vielleicht mit dir, eines Tage ;) Und ja *it's a long way* - die Ängste verbeissen sich wirklich wie klettige Zecken in einen!

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  5. Mein Drache heißt Schlange...und eben solche hatte ich dann in diesem Jahr im Klassenzimmer zu Gast. Da hieß es auch alle Siegfriede- Kräfte in mir mobilisieren und tapfer vor den Kindern diese zu streicheln.

    Dein Tomaten-Rezept klingt sehr lecker. Es ist hier nur gerade so warm, dass ich es nicht wage, eine Stunde lang den Backofen anzuwerfen. So bleiben die Tomaten heute kalt, aber mit Basilikum.

    Liebe Grüße
    Nula

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    1. Du Tapfere! Um die Kinder mit deiner Angst nicht anzustecken! Von mir gibts ein dickes Lob! Schlangen finde ich jetzt auch nicht das schönste aller Tiere, aber Spinnen und Ratten haben eindeutig bei mir die Nase vorn! Kompliment, Nula - überwinden, das ist schon ne Königsklasse. Nich umsonst hat der Goethe daran Freiheit fest gemacht. FREIHEIT - das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, oder? Also nach dem Schlange-Streicheln ;)

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  6. Dein Post war gerade das Highlight meines tristen Arbeitsalltags :D Wie gut kann ich das nachfühlen! Ich habs auch nicht so mit den achtbeinigen Mitgeschöpfen.
    LG, Varis

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    1. Willkommen, Varis, in der gleichen Selbsthilfe-Gruppe :) Jaja, irgendwann muß das rum sein, dass uns 8 Beine in die Flucht schlagen, oder? So zumindest der Plan!

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  7. Ich mußt wirklich kräftig schmunzeln, danke Dir für den Bericht!

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    1. Heißt das, dass bei euch zuhause deine Frau die Spinnenjägerin ist )?

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  8. HIER: Ddie Ober-Spinnen-Phobiekerin. Sehr negativ konditioniert doch die Mutter (immer an allem Schuld 😆) ABER jetzt habe ich "Snapy" erworben, für mich und mein armes, negativ konditioniertes Kind. Schon an köeineren Exemplaren positiv getestet, der Mann registriert es mit Wohlgefallen. Die hysterischen Kreischer bleiben aus.
    Grüsse aus der Normandie 😊

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  9. In den Tomatenpflanzen auf dem Balkon vorm Fenster wohnt Spinni. Spinni ist eine Wespenspinne, die dummerweise dem Mann auffiel. Sonst wäre sie möglicherweise schon versehentlich vom Balkon gepurzelt. So ernte ich unsere kleinen Tomaten um die Spinne rum und wir sehen ihr gespannt (der Mann) und halb entsetzt (ich) zu, wenn sie wieder eine Fliege gefangen hat. Neulich war's eine Biene, da hätte ich ihr fast die Freundschaft gekündigt.

    Was ich aber eigentlich sagen wollte: dieses Tomatenrezept! Ein Traum! Die gab's heute mit Kartoffeln und ohne sonstigen Schnickschnack. Fantastisch! Vielen, vielen Dank für dieses unfassbar gute Rezept.

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